Aufgedrängt

Ich finde es eigentlich jede Woche auf’s neue unschön, wieviele Geschichten man sich in der S-Bahn anhören muß. Wie oft man gezwungen wird sich irgendwelche Inkontinenz - , Etagenbett-, Gartenbau-, meiner-Kleinen-wird-im-Auto-schlecht-, Männer denken anders als Frauen- und sonstige Erlebnisberichte anhören zu müssen. Es gibt einfach Sachen, die will ich nicht wissen. Da will ich morgens einfach mal nur meine Zeitung lesen. Inkontinzenz zum Beispiel. Gehört das in die S-Bahn? Die zwei, die hinter mir saßen, auch wenn sie flüsterten, flüstert es an meinem Ohr vorbei. Frauen können da auch richtig schlimm sein, wenn - wie so oft: die Eine die Andere übertrumpfen will. Sei es mit Haus und Garten und all den Dingen, die man wieder angeschafft hat und die man als Schnäppchen im Gartenbaumarkt ergattert hat.
“Leider war es der letzte Ãœbertopf in dieser Farbe, hach!”. Auch die Lieben Kleinen sind immer wieder Thema. Heute: “Meiner Kleinen wird beim Bus fahren immmer so eine Frau schreit genervtschlecht, ich weiß nicht, ob ihr das heute gefällt, die fahren nämlich in den Zoo. Am liebsten hätte ich sie zu Hause gelassen.” Tja, was kann man als Laie und daneben Sitzender dazu sagen? Soll das arme Kind sein Leben lang von sämtlichen Klassenausflügen befreit werden und durch das soziale Kontaktnetz fallen? Aber ich habe ja keine Ahnung und blättere daher nur genervt meine Zeitung um. Leider reden auch viele Leute einfach sehr laut. In Zeiten wie heute, wo sich fast jeder nur noch selbst der Nächste ist, muß man sich eben Gehör verschaffen und das vor einer möglichst breiten Masse. Alle Mitfahrer wissen um die Beschaffenheit des Rasens von Frau X aus YZ. Da Frau X auch am nächsten Morgen wieder in YZ einsteigen wird, möchte man fragen: “Heute schon gemäht?” Auch die Mama der Kleinen ist am nächsten und am übernächsten Tag wieder mit von der Partie: “Und - die Kleine hat heute schon gekotzt?” Das ist böse, aber manchmal möchte ich am liebsten mit dem Rad zur Arbeit fahren, wenn der Weg nicht so lang wäre, wäre es meine Alternative zu den morgendlichen aufgedrängten Gesprächswelten der Mitmenschen, die leider nur selten auch mal wirklich interessant sind. Ich würde gern verzichten, auf das ständige: “Tschuldigung, noch frei?” , “Oh, tschuldigung, das tut mir leid” - wahlweise auf den Fuß gelatscht oder irgendwas tonnenschweres fällt dem Sitznachbar runter und landet auf meinen Füßen. Schön auch: “Ich putze mir meine Schuhe an Deiner Hose!” Entschuldigung, liebes Verkehrsunternehmen, das ich mitfahren muß. Ganz anders, verhält sich das in der Regionalbahn. Liegt vielleicht unter anderem daran, das man da auch nicht soviel Zeit hat, bis Berlin, das gesamte letzte Wochenende mit dem Sitznachbar zu begakeln. Zuweilen liegt es sicher auch daran, das man ganz anders hingesetzt wird. Unangenehm sind lediglich die in-einer-Reihe-nebeneinander-Sitze, wo einem gerne mal von links und rechts der Ellenbogen der Sitznachbarn in die Hüfte geschoben wird. Schwierig wird es in der Konstellation auch mit dem Umfalten von großen, regionalen Tageszeitungen: man riskiert schon ziemlich viele blaue Seitenstiche.

7 Reaktionen zu “Aufgedrängt”

  1. Piet

    ochhhhhhhhhh *tröst*

    nunja, ich sag mal nix..THATS LIFE!! Werte Frau W.
    Sie könnten ja ihr Automobil benutzen, dann labert sie niemand voll.
    Außer sie führen morgendliche Selbstgespräche :mrgreen:

    So, nun aber fix in den nächsten Kurs.

  2. Robby

    Hmm - ich mag’ das :mrgreen:
    Höre gerne (fremden) Menschen zu - vielleicht erzählen sie ja was interessantes :)

  3. cati

    Wenn es mal Geschichten wären, die einen vom Hocker hau’n, würd ich mich ja nicht aufregen. Aber wenn man die Zeit, die man zwischen Job und zu Hause unterwegs ist, auch als eine Phase des Abschaltens/Pause betrachten will, dann funktioniert das eben so meist leider nicht.
    Außerdem kann mir keiner erzählen, daß ihn selbiges nicht auch schon irgendwann mal genervt hat…

  4. admin

    Nimm Dir doch ‘nen mp3-Player mit, dann kannst Du wenn’s mal wieder nervt einfach die Umgebung abschalten ;) Andererseits wo ist das Problem, wenn Du Zeitung liest? Da stört doch so’n Gesülze eigentlich nicht weiter - ich persönlich finde das Zeitungslesen da manchmal noch viel nerviger, weil das eigentlich immer raschelt ohne Ende und man beim Umblättern mit regelmäßiger Boshaftigkeit angerempelt wird. Letzteres ist ideal, wenn man in der S-Bahn seinen Schlaf nachholen will *g* Aber das Ãœbelste sind eigentlich immer die sich für wichtig haltenden Leute, die nicht mal in der Bahn ihren Handy-Rufton ausschalten können und nach einem nervigen Klingelton auch noch lautstark ewig ihre Telefonflat ausnutzen müssen … Aber egal, wozu aufregen, bringt doch nix ;)

  5. cati

    Joa, keine Ahnung, ich bin irgendwie nicht der Musikhörer in der S-Bahn, weil ich ja irgendwo meinen Newsflash herbekommen muß, lese ich eben lieber Zeitung. Man muß ja informiert sein. Bei Jugendlichen scheint es auch total in Mode zu sein, Musik auf dem Handy mit Lautsprecher in der S-Bahn zu hören. Vorwiegend ist das dann Musik like “In the Gettho” … mit Wörtern wie F+cken , V+geln usw. usf. Viele steigen gott sei Dank Gesundbrunnen aus… und auch zu diesem Phänomen halt ich hier mal besser den Mund ;-)

  6. admin

    Musik hören und Zeitung lesen widerspricht sich doch nicht :roll: Entweder hört man gute Musik ohne Text *g* und selbst wenn nicht, so muss man doch trotzdem nicht (in Gedanken) mitsingen ;) Das mit dem per Lautsprecher Musik hören in der S-Bahn ist allerdings wirklich eine lästige Angewohnheit von kleinen verzogenen Kids. Wenn die zu dicht in meiner Umgebung sitzen, dann bringe ich denen auch gerne mal Manieren bei :mrgreen:

  7. Cati

    Ich kann aber nicht Musik hören und nebenbei Zeitung lesen - Klatschblatt vielleicht aber nicht Tageszeitung. Ich singe immer in gedanken mit, wenn ich das Lied schon zwnazig mal gehört habe, das geht ja irgendwie fast jedem so. Und Musik ohne Text ist mir morgens zuviel ;-)

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