Selbstmordserie in Bridgend - ein Hilfeschrei?

Seit gestern kann man wie schon im vergangenen Jahr über die Selbstmorde von Jugendlichen im walisischen Bridgend in jeder Zeitung lesen. Acht junge Menschen sind seit Februar 2007 in diesem Ort verstorben, vorgestern erhängte sich die 17 jährige Natasha. Da fragt man sich, wie so etwas funktioniert, die grausamste aller Methoden anzuwenden, wenn man offenbar mit dem Leben nicht mehr zurecht kommt. Spekuliert wird hierbei über soziale Missstände, schlechte Lebensbedingungen, fehlende Zukunftsperspektiven. Was aber genau bewegt einen Menschen dazu, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, sich bewusst einem Schmerz auszusetzen, dem man sich bei klarem Verstand wohl kaum aussetzen würde? Man misst hierbei z.B. Internetforen eine große Bedeutung bei, in denen sich die Jugendlichen über das Sterben und den Tod unterhalten und offenbar eine Art “Totenkult” veranstalten. Wie abhängig kann ein Mensch also von der Meinung und hierbei insbesondere von der Lebensgestaltung anderer Menschen werden, dass er sich dieser Auffassung bedingungslos annimmt und Suizid wählt? Im letzteren Fall -Natasha- sagt man, sie hätte gerade eine Ausbildung zur Kinderbetreuerin begonnen, wäre durchaus lebensbejahend gewesen und immer fröhlich. Ich verstehe daran einfach nicht, woran mangelt es bitte, dass einem das eigene Leben irgendwann so egal ist? Wollten die Jugendlichen “wachrütteln”? Missstände aufdecken? Doch was bringt es am Ende jedem Einzelnen wenn er selbst eine Veränderung der sozialen Bedingungen gar nicht mehr mitbekommt? Warum zieht man nicht weg? Warum löst man Probleme nicht anders? Welche Last kann so groß sein, dass man lieber den Schmerz der Strangulierung erträgt? Wo ist der letzte Ãœberlebenswille, der Instinkt und der Verstand, sich nicht einzureihen bei all Jenen, die den Freitod wählten? Was nutzt die “Online-Gedenktafel” die eher zum Nachahmen animiert als zum Denken?

3 Reaktionen zu “Selbstmordserie in Bridgend - ein Hilfeschrei?”

  1. admin

    Ich hatte schon vor ein oder zwei Wochen davon gelesen gehabt - da ist also erneut ein Mädel hinzugekommen. Erklären lässt sich das ganze für den Normalbürger nicht, meines Wissens ist auch nichts handfestes zu den Beweggründen bekannt. In der Vergangenheit gab es zwar schon öfter mal so eine Art Gruppen-Zwang-Freitod, jedoch zumeist nur von einigen wenigen Jugendlichen begangen oder ebenfalls in größerem Stil von Sekten praktiziert.
    Was auch immer in den bisherigen Opfern vorgeht, eines steht fest: alle sind noch sehr jung gewesen und so weit ich weiß kennen die sich auch alle aus einem Internetforum, in dem unter anderem über derlei Dinge diskutiert wird. Schlechte Zukunftsaussichten, finanzielle Not, Liebeskummer oder was man auch immer an Beweggründen nennen könnte, trafen auf die meisten der bisher erhängten Jugendlichen nicht zu, zumindest ist da bisher nicht bekannt, dass eines der Opfer mehrere dieser Beweggründe vorweisen könnte. Schule, Ausbildung, Arbeit, teilweise schon Hochzeitspläne - all das zeichnete die Großteils als lebensfroh bezeichneten Opfer aus. Irgendwie paradox … Fehlte ihnen eine brauchbare Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens?

    Das junge Alter dürfte eine entscheidende Ursache für die niedrige Hemmschwelle sein - die Jugendlichen haben bisher nicht viel vom Leben gesehen, wissen es nicht zu schätzen und in dem Alter besteht ohnehin eine erhöhte Suizidgefahr. An welcher Stelle man da ansetzen kann, um ein möglichst baldiges Ende dieser Selbstmordserie zu erreichen, ist sicherlich auch eine schwierige Frage, die nicht nur die lokalen Behörden ordentlich beschäftigen dürfte. Den größten Einfluß zur Vermeidung solcher Taten bei Jugendlichen kann neben den Eltern eigentlich nur die Schule ausüben. Neben diversen Ansatzpunkten, die die Hemmschwelle für Körperverletzungen nicht nur an anderen deutlich nach oben schrauben, sollte man sich in Bridgend auch überlegen, was man konkret für die Kinder und Jugendlichen tun kann, damit diese sich Ziele setzen und diese verwirklichen. Vermutlich würde es auch schon helfen, detailliert darauf einzugehen, was dies für die Eltern bedeutet, die den Tod ihres eigenen Kindes verarbeiten müssen. Vielleicht sollte man ihnen auch mal schwarz auf weiß vorrechnen, was ihre Kindheit und Jugend gekostet hat - Grund genug, diese indirekte Schuld durch viele noch folgende, gemeinsame und hoffentlich schöne Jahre mit den Eltern zu begleichen.

  2. Robby

    Zum einen sei auf den “Werther-Effekt” hingewiesen, zum anderen auf vermutlich fehlende Coping-Fähigkeiten und Ressourcen.
    Alternativ vielleicht auch zu viel von letzterem und die “idealistische Variante”.

  3. admin

    Da musste ich jetzt erstmal auf wikipedia nachschauen, was der Werther-Effekt noch mal war - hatte ich zwar schon mal von gehört, aber längst wieder vergessen … Hier eine kurze Zusammenfassung:
    Als Werther-Effekt wird das durch wissenschaftliche Studien belegte Phänomen bezeichnet, dass Suizide, über die in den Medien ausführlich berichtet wird, eine signifikante Zahl von Nachahmungstaten auslösen. Der Begriff geht zurück auf das erstmals beobachtete Auftreten einer Suizidwelle nach der Veröffentlichung von Goethes Buch “Die Leiden des jungen Werthers” im Jahr 1774. Die genaue Zahl der Suizide im Zusammenhang mit Goethes Werther lässt sich mangels exakter Untersuchungsdaten nicht beziffern. Aus überlieferten Quellen wird eine zweistellige Zahl in mehreren Ländern belegt, es könnten auch weitaus mehr gewesen sein.
    Aus genau dem Grund gibt es u.a. in Deutschland Presserichtlinien zur Berichterstattung und einige Verleger ergänzen diese durch eigene interne Richtlinien, wann und in welchem Umfang über derartige Vorfälle berichtet werden darf.

Einen Kommentar schreiben